La FIFA, prête pour la prochaine révolte?
Was passiert, wenn man einen charismatischen Alt-68er aus Deutschland mit einer renommierten französischen Soziologin und Jugendforscherin auf einem Podium zusammenbringt und die beiden mit steilen Thesen zum politischen Engagement der heutigen und damaligen Jugend konfrontiert? Das wollte eine Gruppe von FIFA-Studierenden aus allen den Jahrgängen FIFA16, 17 und 19 wissen und haben deshalb eine öffentlich Diskussionsveranstaltung organisiert. Mit dem Vorhaben, gemeinsam über das Erbe der revoltierenden 68er-Bewegung zu reflektieren, waren sie nicht allein, wie sich herausstellte: Die Veranstaltung fand großen Anklang, der Raum war bis auf den letzten Stuhl gefüllt!
In Kooperation mit dem Institut Français wurden Rezzo Schlauch, seines Zeichens Protagonist der 68er-Bewegung im Südwesten und grüner Politik-Veteran, und Anne Muxel, führende französische Forscherin für die Politisierung von Jugendlichen (CEVIPOF und CNRS) zu einer Podiumsdiskussion am 14.Juni 2018 in den Räumlichkeiten des Institut Français Stuttgart geladen. Die Diskussion bildet den Abschluss einer großen Veranstaltungsreihe zum 50-jährigen Jubiläum der 68er-Bewegung, „Le sens de la révolte“.

Im Vorfeld der öffentlichen Podiumsdiskussion hatten die FIFA-Studierenden die Gelegenheit zu einem exklusiven Workshop mit Anne Muxel. In angenehmer Runde konnte so vertieft auf die Fragestellungen eingegangen werden, welche die Studierenden aus Lektüre und eigener Lebenswelt mitgebracht hatten.
Anne Muxel konnte die Wahrnehmung der Studierenden bestätigen, dass politisches Engagement heutzutage weniger durch Ideologien als durch Pragmatismus geprägt ist. Die junge Generation erwarte – wie in anderen Lebenslagen auch – schnelle Ergebnisse und habe einen Effizienzanspruch – welcher jedoch in der politischen Sphäre auf vermessen sein kann. Selon Muxel, les jeunes aujourd’hui sont de plus en plus critique et défiant à l’égard de la politique politicienne, ce qui se traduit souvent dans un engagement « post-it », c’est-à-dire de courte durée et flexible, dans plusieurs associations, mais non plus dans des partis. On observe d’autres formes d’engagement comme l’engagement associatif ou des flash-mobs. Mme Muxel met également en avant le facteur démographique : les jeunes d’aujourd’hui se retrouvent – au contraire de la génération 68 - en minorité numérique. Pour autant, l’abstention auprès de jeunes est flagrante : un tiers de la tranche d’âge 18-30 ans n’a pas voté à l’élection présidentielle 2017.
Im deutsch-französischen Vergleich stach die Feststellung hervor, dass es in Deutschland infolge der 68er-Bewegung zu einer Radikalisierung kam (RAF), in Frankreich aber nicht. Der Mai 68 en France sei hingegen wesentlich intensiver, kompakter verlaufen und habe seine politischen impacte erst später gehabt, nämlich mit der Wahl Mitterrands 1981.
Die im Workshop erarbeiteten Thesen flossen in die abendliche Podiumsdiskussion ein.

Geleitet wurde die Podiumsdiskussion durch eine gewandte Moderation von Prof. Henrik Uterwedde, der vielen FIFAlumnis aus ihrer Studienzeit noch gut in Erinnerung sein dürfte. Rezzo Schlauch, Staatsekretär a.D. und Fast-Oberbürgermeister Stuttgarts, gelang es dabei, durch brennende, wortstarke Beiträge einen Hauch von ´68 einzubringen und dem – überdurchschnittlich jungen – Publikum vor Augen zu führen, welche gesellschaftliche Dynamik und Sprengkraft die Bewegung vor 50 Jahren in sich trug. Die „Generation Y“ ist für Schlauch eine Generation, in der man sich vor seinen Mitbewohnern rechtfertigen muss, wenn man die Tagesschau gucken möchte, so eine seiner anekdotischen Ausführungen. Anne Muxel lieferte treffende Zeitdiagnosen zum Zustand der heutigen Jugend. Es gäbe zwar weiterhin eine culture de contestation (vor allem in Frankreich), jedoch sei auch der hohe taux d’abstention ein beunruhigendes Zeichen – es dürfe nicht zu einem détournement de la classe politique kommen, so die Soziologin. Jonas Metzger speiste im Namen der Teilnehmer*innen des Workshops die zentralen Thesen in die Diskussion ein, mit denen Muxel und Schlauch konfrontiert wurde. Aus der Erarbeitung mit Anne Muxel, aber auch anhand von Literatur (Hurrelmann, Shell-Studie) waren unter anderem die folgenden thesenförmigen Erkenntnisse hervorgegangen:

Eine verstärkte Ich-Zentrierung auf den persönlichen Nutzen ist kennzeichnend für das politische Engagement der heutigen jungen Generation.
Politisches Handeln der jungen Generation findet vor allem dann statt, wenn es etwas zu erleben gibt. Rezzo Schlauch stellte jedoch klar, dass er damals auch ein purer Hedonist gewesen sei, und den Eventcharakter der 68er-Geschehnisse sehr genossen hat.
Die Multioptionalität der Lebensgestaltung wirkt verunsichernd und überfordernd, weshalb für politisches Engagement kaum noch Raum bleibt.
Das gesamtgesellschaftliche Narrativ ist auf „Bewahren“ aus, und weniger auf „Gestalten“, wie es noch in bei den linken Utopien der 68er der Fall war. Dies sei aber weniger motivierend für eine kollektive Jugendbewegung.
Die pertinenten Analysen von Anne Muxel sowie die flammenden Plädoyers und anektdotischen Erzählungen von Rezzo Schlauch, ergänzt durch interessante Denkanstöße aus dem Publikum trugen dazu bei, des es eine sehr unterhaltsame Abendveranstaltung wurde.Diese gelungene Veranstaltung war nach der 20-Jahr-Feier der FIFA im vergangenen Jahr die zweite Kooperation zwischen Uni Stuttgart, Institut Français und dem FIFAlumni e.V. Wir streben nun an, diese Zusammenarbeit weiter zu verstetigen und sind gespannt, zu welchem Anlass und Thema wir im nächsten Jahr zusammenkommen. Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Angelika Vetter, für Ihre konzeptionelle und organisatorische Mitwirkung, sowie bei unseren Förderern, dem IZKT und der Deutsch-Französischen Hochschule, ohne deren großzügige finanzieller Förderung solche Projekte nicht denkbar wären.

